Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Buzzword, das überall kursiert, aber noch nicht wirklich in der Praxis angekommen ist. Grund hierfür ist, dass die aufwändig berechneten KI-Modelle für spezifische Prozesse starr sind. Ändert sich ein Prozess, etwa weil andere Materialien verwendet werden oder ein Werkzeug verschleißt, kann sich das Modell nicht anpassen. Das wollen Forschende aus Hannover nun ändern und damit KI in breite Anwendung bringen.
Lernende KI-Modelle – Digitale Zwillinge genauer gesagt – ermöglichen eine so genannte adaptive Prozessführung, also die laufende Anpassung des Prozesses an sich ändernde Bedingungen, wie etwa Werkzeugverschleiß oder Fehler während der Bearbeitung. „Bisherige KI-Modelle können nicht auf sich ändernde Prozessbedingungen reagieren. Sie müssten neu trainiert werden, was natürlich viel Zeit, Expertise und Geld kostet“, erläutert Marcel Wichmann. Der neue Ansatz birgt ein hohes technisches und wirtschaftliches Potenzial, von dem künftig auch vermehrt kleinere und mittlere Unternehmen profitieren können. Hierzu zeigt Wichmann drei praktische Anwendungen:
Gerade in der Luft- und Raumfahrtindustrie bietet der neue Ansatz ein hohes Potenzial, um die strengen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen der Komponenten zu erfüllen. Bei der Regeneration komplexer Investitionsgüter wie Turbinenschaufeln führen digitale Prozesszwillinge anhand einer adaptiven Prozessplanung der additiven Fertigung und Zerspanung zu einer deutlichen Qualitätssteigerung. Sie ermöglichen die Vorhersage des Prozessergebnisses für individuelle Werkstücke und bieten eine Entscheidungsgrundlage zur Optimierung.
Spanende Fertigungsprozesse kommen jedoch nicht ohne Werkzeuge aus. Digitale Zwillinge innerhalb der Herstellung von Zerspanwerkzeugen verbessern den Prozess des Werkzeugschleifens ebenfalls deutlich. Lernende Modelle auf Basis von Daten aus der Maschinensteuerung in Kombination mit einer prozessparallelen Simulation realisieren einen digitalen Werkstückzwilling. Die Genauigkeit der Modellprognose des digitalen Zwillings von wirkenden Kräften und resultierender Bauteilqualität wird anhand einer Datenrückführung stetig gesteigert. Ohne zusätzlichen Aufwand für den Anwender wird so eine optimierte Prozessplanung zur Verkürzung von Einfahrprozessen realisiert. Der digitale Werkstückzwilling des Zerspanwerkzeugs kann zukünftig entlang der gesamten spanenden Prozesskette weiterverwendet werden.
Nach Abschluss der Fertigung unterstützen digitale Zwillinge ebenso zur Umsetzung einer intelligenten Prüfplanung. Sie ermöglichen eine daten- und simulationsbasierte Qualitätsprüfung zur deutlichen Reduzierung der Prüfaufwände. Eine adaptive Planung der Qualitätsprüfungen realisiert basierend darauf eine schnellere Reaktion auf Fertigungsabweichungen. Der Einsatz von digitalen Zwillingen in Produktionssystemen wird im Webinar aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und diskutiert.